Bürgerinitiative M.U.T. zweifelt an der neutralen Bearbeitung des Genehmigungsantrages für die Deponie in Driftsethe
8. September, 11.00 Uhr – Sandgrube der Fa. Freimuth in Driftsethe. Ortstermin: Angereist sind Freifrau von Mirbach – stellvertretende Leiterin des Gewerbeaufsichtsamtes Lüneburg -, ihr Mitarbeiter Arne Tabatt sowie Ralf Gros vom NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) – angekündigt als Vogelexperte, tatsächlich aber von Beruf Landschafts-planer. Am Tor des geplanten Deponiegeländes treffen sie auf Mitglieder der beiden Bürgerinitiativen, des BUND, des Gemeinderates und auf den Bürgermeister der Gemeinde Hagen, Andreas Wittenberg.
Dieses 2. Treffen fand auf Initiative des Gewerbeaufsichtsamtes statt – das Ziel blieb allerdings im Dunkeln. Nach Auskunft von Frau von Mirbach wollte man sich einfach mal austauschen und sich das geplante Deponiegelände noch einmal mit allen gemeinsam ansehen. Frau von Mirbach versicherte wiederholt, der Antrag der Fa. Freimuth auf Errichtung einer Deponie der Klasse I werde objektiv abgearbeitet. „Bei uns ist aber auch durch gezieltes Nachfragen an dieser Stelle der Eindruck entstanden, dass eine solche „objektive“ Bearbeitung gar nicht möglich ist“, sagt Gitta Brede vom Vorstand der BI – M.U.T.
Das Land braucht Deponien – nach Aussage des grünen Umweltministers Stefan Wenzel vor allem für den kontaminierten Schutt aus den AKW, die in den kommenden Jahren zurückgebaut werden sollen. Die Frage ist doch, ob bei diesem öffentlichen Druck eine Genehmigungsbehörde überhaupt unabhängig entscheiden kann? Sollte das nicht möglich sein, dann wird es eng für die Naherholung am Weißenberg. An juristisch fundierten Argumenten gegen die Deponie fehlt es nämlich nicht: Neben dem rechtgültigen Bebauungsplan der Gemeinde Hagen, der das Gebiet für eine naherholerische Nutzung vorsieht, gibt es Rechte von Anwohnern, die gewahrt werden müssen und naturschutzrechtliche Belange. So leben z.B. auf dem geplanten Deponiegelände verschiedene bedrohte bzw. stark gefährdete Tierarten mit dem höchsten Schutzstatus. Das Gewerbeaufsichtsamt hat davon Kenntnis und macht aber bei dem Ortstermin deutlich, dass auf dieses Artenvorkommen höchstens durch erweiterte Kompensationsmaßnahmen Rücksicht genommen werden wird. „Da fragt man sich doch, was der höchste Schutzstatus in Deutschland noch wert ist“, meint Gitta Brede.
Dass das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg der Gemeinde, den Umweltverbänden, den Bürger-initiativen und den Anwohnern eine Sondierungsmaßnahme ankündigt, die die Fa. Freimuth für ihren Genehmigungsantrag durchführen soll, erhöht das Vertrauen hinsichtlich der Objektivität der Genehmigungsbehörde auch nicht. Arbeitet das Gewerbeaufsichtsamt mit Freimuth zusammen?
Bei dieser Maßnahme handelt es sich um Drucksondierungen zur Feststellung der Boden-beschaffenheit, für die mit Raupen in der Größe eines LKW mehrere Schneisen in den bereits vorhandenen Waldbestand geschlagen werden sollen. Gegen diese Maßnahme – die nach Aussage verschiedener Fachleute mit wesentlich weniger Aufwand und weniger Schaden für die Natur durchgeführt werden könnte – liefen die Bürgerinitiativen, der BUND und die Gemeinde Hagen Sturm.
Es handle sich zum einen um einen Verstoß gegen den bestehenden Bebauungsplan der Gemeinde Hagen im Bremischen und zum anderen um einen „legalisierten“ Vergrämungsversuch gegen Uhus und andere bedrohte Tierarten, sagt Karla Mombeck vom Vorstand der B I- M.U.T. Außerdem drohe dem in der Grube vorhandenen Baumbestand, der bereits deklarierte Status als Wald im Sinne des Landeswaldgesetzes abhanden zu kommen. „Sollen da vollendete Tatsachen geschaffen werden?“, fragt sich nicht nur Bernd Ricker, Sprecher der BI „Driftsethe gegen die Deponie“.
Der Eindruck einer Pro-Deponie-Haltung setzt sich in der Auseinandersetzung der Bürgerinitiativen, des BUND und der Gemeinde Hagen mit dem Landkreis Cuxhaven fort. Alle Beteiligten verlangten vom Landkreis als zuständige untere Naturschutzbehörde, die geplante Sondierungsmaßnahme mit Raupenfahrzeugen zu untersagen und eine schonendere Untersuchung anzuordnen. Sieghard Haude und Werner Rusch vom Naturschutzamt des Landkreises finden den Eingriff nicht so schlimm (lt. Herrn Rusch gehören Schneisen auch zum Wald) und verweisen z.B. darauf, dass der Uhu ja im Winter nicht brütet und mal wegfliegen kann. Die in der Grube vorhandenen Biotope sind nach Auskunft von Herrn Rusch nicht mehr geschützt. Die aktuelle Karte des Landkreises über Schutzgebiete zeigt das Gegenteil. Sollte den Biotopen allerdings der Schutzstatus tatsächlich abhanden gekommen sein, dann fragt man sich, wie es dazu kam und wer das veranlasst hat. „Die Frage nach dem Warum könnten wir uns selber beantworten“, meint Karla Mombeck.
„Wann wird im Genehmigungsverfahren endlich das zwingende verwaltungsrechtliche Gebot des mildesten Mittels angewandt?“ fragt sich Mombeck. Die Fachaufsichtsbeschwerde, die sie in dieser Angelegenheit an den Landesumweltminister geschickt hat, ist nach mehr als sechs Wochen immer noch nicht beantwortet. „Das sieht ja so aus, als wären sich alle einig“, meint Gitta Brede. „Unsere Vorstellung von einem objektiven Genehmigungsverfahren sieht anders aus.“
– Gitta Brede, Karla Mombeck, 27.10.2015